Der_grüne_Heinrich__Erste_Fassung_ by Gottfried Keller

Der_grüne_Heinrich__Erste_Fassung_ by Gottfried Keller

Autor:Gottfried Keller
Die sprache: deu
Format: epub


Dritter Band

Erstes Kapitel

Zweites Kapitel

Drittes Kapitel

Viertes Kapitel

Fünftes Kapitel

Sechstes Kapitel

Erstes Kapitel

[453] Ich schlief fest und traumlos bis zum Mittag; als ich erwachte, wehte noch immer der warme Südwind, und es regnete in einem fort. Ich sah aus dem Fenster und erblickte das Tal auf und nieder, wie Hunderte von Männern am Wasser arbeiteten, um die Wehren und Dämme herzustellen, da in den Bergen aller Schnee schmelzen mußte und eine große Flut zu erwarten war. Das Flüßchen rauschte schon ansehnlich und graugelblich daher; für unser Haus war gar keine Gefahr, da es an einem sicher abgedämmten Seitenarme lag, der die Mühle trieb; doch waren alle Mannspersonen fort, um die Wiesen zu schützen, und ich saß mit den Frauensleuten allein zu Tische. Nachher ging ich auch hinaus und sah die Männer ebenso rüstig und entschlossen bei der Arbeit, als sie gestern die Freude angefaßt hatten. Sie hantierten wie die Teufel in Erde, Holz und Steinen, standen bis über die Knie in Schlamm und Wasser, schwangen Äxte und trugen Faschinen und Balken umher, und wenn so acht Mann unter einem schweren Werkstücke einhergingen, hielten die Witzbolde unter ihnen ohne Zeitverlust keinen Einfall zurück; nur der Unterschied war gegen gestern, daß man keine Tabakspfeifen sah, da dies Volk bei der Arbeit wohl wußte, was guter Ton ist. Ich konnte nicht viel helfen und war den Leuten eher im Wege; nachdem ich daher eine Strecke weit das Wasser hinaufgeschlendert, kehrte ich oben durch das Dorf zurück und sah auf diesem Gange die Tätigkeit auf allen ihren gewohnten Wegen. Wer nicht am Wasser beschäftigt war, der fuhr ins Holz, um die dortige Arbeit noch schnell abzutun, und auf einem Acker[453] sah ich einen Mann so ruhig und aufmerksam pflügen, als ob weder der Nachtag eines Festes noch eine Gefahr im Lande wäre. Ich schämte mich, allein so müßig und zwecklos umherzugehen, und um nur etwas Entschiedendes zu tun, entschloß ich mich, sogleich nach der Stadt zurückzukehren. Zwar hatte ich leider nicht viel zu versäumen, und meine ungeleitete haltlose Arbeit bot mir in diesem Augenblicke gar keine lockende Zuflucht, ja sie kam mir schal und nichtig vor; da aber der Nachmittag schon vorgerückt war und ich durch Kot und Regen in die Nacht hinein wandern mußte, so ließ eine asketische Laune mir diesen Gang als eine Wohltat erscheinen, und ich machte mich trotz aller Einreden meiner Verwandten ungesäumt auf den Weg.

So stürmisch und mühevoll dieser war, legte ich doch die bedeutende Strecke zurück wie einen sonnigen Gartenpfad; denn in meinem Innern erwachten alle Gedanken und spielten fort und fort mit dem Rätsel des Lebens wie mit einer goldenen Kugel, und ich war nicht wenig überrascht, mich unversehens vor dem Stadttore zu befinden. Als ich vor unser Haus kam, merkte ich an den dunklen Fenstern, daß meine Mutter schon schlief; mit einem heimkehrenden Hausgenossen schlüpfte ich ins Haus und auf meine Kammer, und am Morgen tat meine Mutter die Augen weit auf, als sie mich unerwartet zum Frühstück erscheinen sah.

Ich bemerkte sogleich, daß in unserer Stube eine kleine Veränderung vorgegangen war.



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